03. Mai 2013 | Zurück zur Artikelübersicht » |
Beim Italiener um die Ecke bestellt er sich eben keine Pizza oder leckere Pasta, sondern ein Stück mageres Fleisch mit Salat. Wenn andere nach der Schule ihre Freizeit genießen, schnappt er seine Laufschuhe und joggt durch Langenargen.
Und wenn seine Freunde am Wochenende langsam das Partyleben am Bodensee entdecken, ist er unterwegs – nach Spanien, Großbritannien, Italien, oder eben nach Wackersdorf in Bayern. Das alles unterscheidet den 16-jährigen Tim Zimmermann von den meisten seiner Freunde: er arbeitet akribisch und mit Disziplin an dem großen Ziel vom bezahlten Motorsport und am noch größeren Traum von der Formel 1.
„Es ist ein unbeschreibliches Gefühl“, das sagt Tim Zimmermann, wenn er sich heute an seine erste Fahrt in einem Kart erinnert. Mit acht Jahren saß der heute 16-jährige zum ersten Mal in so einem Gefährt, im Urlaub auf Mallorca. Damals wollte er sich eigentlich nur mit seinem motorsportbegeisterten Vater Klaus duellieren, zwei Jahre später sollte aus diesem Urlaubsflirt mit der Geschwindigkeit aber schon seine Leidenschaft werden. Knapp 30 PS hatte sein erstes eigenes Rennkart. Mit über 100 Kilometern in der Stunde Spitzengeschwindigkeit jagte Tim Zimmermann damals auf der Memminger Kartbahn um die Kurven, wohl so beeindruckend, dass sofort ein Rennteam auf ihn aufmerksam wurde. Zwei Monate später fuhr Zimmermann bereits im Rennteam.
„Vollgas geben“ war ihm mit zwölf Jahren wichtig – er stieg in ein größeres Kart um. Um in Deutschland mit dem schnelleren Geschoss zu fahren, war Zimmermann noch ein Jahr zu jung, deshalb ging er nur im Ausland an den Start. Ein Jahr später startete der Nachwuchsrennfahrer dann auch im eigenen Land durch. Es folgten Podiumsplätze, Pokale und viele Erfolge. 2011 wurde die Sportförderung des ADAC auf Tim Zimmermann aufmerksam. Seitdem ist er in einem blau-weißen Rennanzug als Förderpilot des deutschen Automobilclubs unterwegs.
Das Jahr 2012 sollte für Zimmermann sein bislang erfolgreichstes werden. In seiner Premierensaison in der KF2-Klasse der Karts setzte sich Zimmermann gegen seine Konkurrenz gleich in vier Rennen durch. Trotz eines starken Fahrerfelds wurde er auf Anhieb zweiter der ADAC Kart Masters und gleichzeitig als bester „Rookie“ ausgezeichnet, also als schnellster Nachwuchsfahrer seiner Serie. Erreicht hat er das alles mit einem regionalen Motorsportteam. Seit 2009 fährt Zimmermann für RS Motorsports aus der Nähe von Memmningen.
Angekommen ist Tim Zimmermann allerdings noch nicht – zumindest nicht dort, wo er hin will: in die Königsklasse des Motorsports, in die Formel 1. Für diesen Traum nimmt er viel Arbeit in Kauf – neben und auf der Strecke. Das alles macht der 16-jährige ohne zu meckern oder sich zu beklagen. Am Morgen ackert er an der Park-Realschule in Kressbronn für seinen Realschulabschluss, mittags trainiert er oder ist auf dem Weg zu Sponsoren und Partnern.
Mittlerweile hat der 16-jährige sich mit der„Tim Zimmermann KG“ selbstständig gemacht, um seine Karriere voranzutreiben. Er besucht Firmen und stellt im Nachgang ihre Ausbildungsmöglichkeiten in kurzen Videos vor, um „Jugendlichen zu zeigen, wo sie einen Job finden“ und natürlich, um in den Firmen Partner für seinen Sport zu finden.
Zwar bekommt Tim Zimmermann Unterstützung durch den ADAC, aber trotzdem ist sein Sport „ein bisschen teurer, als auf dem Rasen den Ball zu kicken.“ Er meint das nicht despektierlich, sondern will damit nur die Dimension seines Sports deutlich machen. Nur die Saison 2013, im für ihn neuen mit knapp 50PS-Kart mit Schaltung, wirft Kosten in sechsstelliger Höhe auf. Wenn er, wie geplant, in den Formel-Sport einsteigt, wird es natürlich noch teurer.
Die ersten Testfahrten in einem Formel-Auto hat Tim Zimmermann bereits hinter sich. Schon bald will er den Kartsport an den Nagel hängen und in den großen Boliden mit den freistehenden Rädern auf Rekordjagd gehen. Seine großen Vorbilder aus der Formel 1 haben auch sehr früh diesen Schritt getan; das ist nicht das einzige was Zimmermann mit den Formel 1 Weltmeistern verbindet. Dieser sagt heute, dass vor allem seine Familie ihn auf dem Weg in die Weltspitze unterstützt hat. Für Zimmermann ist es das Gleiche. Vater Klaus, Mutter Petra und seine beiden Schwestern Laura und Eva stehen bedingungslos hinter Tims großem Ziel. Die Familie ist immer mit an der Rennstrecke und reist mit dem ältesten Zimmermann-Sprössling durch Europa, wann immer es geht. „Das ist nicht selbstverständlich, das weiß ich“ ist Zimmermann stolz auf so viel Vertrauen in ihn.
Er ist sich bewusst, wie wichtig sein Umfeld für seine Erfolge ist. Seinen Mechaniker Aljosha Perin zum Beispiel sieht der 16-jährige fast wie seinen großen Bruder. Kein Wunder, denn die beiden verbringen an einem Rennwochenende beinahe jede Minute miteinander. Sie fahren gemeinsam am Donnerstag los, schrauben, tüfteln am Kart und teilen sich das Hotelzimmer. „Vertrauen und Freundschaft ist da wahnsinnig wichtig.“
Diese pflegt er mittlerweile auch mit seinem Mentalcoach Helmut Tietz. „Alle körperliche Fitness nützt nichts, wenn Du Dich nicht auch in der letzten Runde noch voll konzentrieren kannst“, weiß der junge Kartfahrer. Schneller wird dadurch zwar nicht, aber konstanter. Außerdem kann er durch das mentale Training schneller abschalten und sich wieder auf neue Aufgaben fokussieren.
Er führt ein Leben auf der Überholspur, im wahrsten Sinne des Wortes. In einer Welt, in der ein Michael Schuhmacher klammheimlich die Rennen beobachtet, ist es schwierig auf dem Boden zu bleiben. Allerdings kann Tim Zimmermann mit all dem umgehen. „Ich habe viele Talente gesehen, die es nicht geschafft haben“, ist sich Zimmermann bewusst. „Sei es aus Geldmangel oder weil der Druck irgendwann zu groß wurde“. Deshalb will sich der Langenargener nicht einfach auf sein Talent im Motorsport verlassen. Im Herbst beginnt Zimmermann eine Ausbildung als Marketing- und Kommunikationskaufmann bei der Firma Tramondi in Friedrichshafen. Für den Sport bleibt aber genügend Platz, das war Zimmermann wichtig. Seine Belastung wird dadurch allerdings nicht geringer.
Bekommt Tim Zimmermann die Frage gestellt, ob er nicht manchmal die Nase voll von all dem habe, dann schaut er nur mit immer größer werdenden Augen und einem erstaunten Gesichtsausdruck zurück. Für ihn stellt sich diese naheliegende Frage gar nicht, er hat sich für diesen Weg entschieden und geht ihn – wenn möglich den direktesten Weg.